3. DIE ZEIT DER HOHLPFENNIGPRÄGUNGEN (14.-16. JAHRHUNDERT)

Um die Zeit der Göttinger Hohlpfennige verstehen zu können, ist es wichtig, vorab einen Blick darauf zu werfen, was unter dem Begriff Hohlpfennig zu verstehen und wie diese besondere Art von Münzen entstanden ist. Zunächst unterscheiden sich Hohlpfennige von anderen, oftmals als „schwere Pfennige“ bezeichneten Münzen darin, dass sie nicht nur flacher und leichter sind als andere, sondern auch dadurch, dass sie den Brakteaten zugeordnet werden. „Brakteaten sind nur einseitig geprägte hohle penninge, Hohlpfennige, auf deren Rückseite das Vorderseitenbild negativ zu sehen ist“ (Suhle 1965, S. 45). „Die Bezeichnung Brakteaten für diese hohlen Pfennige, die sich vom lateinischen Wort bractea (= dünnes Blech) herleitet, kam [allerdings] erst später als gelehrter Fachausdruck zur Anwendung“ (Schlüter 1967, S. 6).

Münzschläger (Foto: Wikipedia).

In manchen Teilen des Reiches herrschte im 12. und 13. Jahrhundert noch die Naturalwirtschaft vor. Dennoch führte die „umfangreiche Brakteatenprägung“ während dieser Zeit auch in diesen Regionen bald zu einem „Vordringen der Geldwirtschaft“ (Schlüter 1967, S. 11, Suhle 1965, S. 45). Demnach waren es also gerade jene Gebiete, welche zu dieser Zeit wirtschaftlich erschlossen und in denen neue Städte gegründet wurden, in denen weitestgehend auf die Prägung von Brakteaten gesetzt wurde (Berger 1993, S. 14). Seit der Mitte des 12. Jahrhunderts nahm die Pracht der bis dahin oftmals sehr filigran gestalteten Münzen schnell ab. „Bedeutungslos wurde jetzt auch für längere Zeit die Münzkunst. Die Periode der eigenständigen, phantasievollen Schöpfungen war zuende. Es gab keine Umschriften mehr. Das Münzbild zeugte von einer beispiellosen Einfallslosigkeit nicht nur der Münzmeister und Stempelschneider, sondern auch der Münzherren“ (Kaemling 1985, S. 15). Dieses Bild trifft auch auf die Göttinger Hohlpfennige des 14., 15. und 16. Jahrhunderts zu, welche sich niemals dadurch auszeichneten, dass sie besonders prachtvoll gestaltet waren. Das Gegenteil war der Fall, denn sie wurden erst gut 200 Jahre nach der Hochzeit der Brakteatenprägung hergestellt und besaßen keinen repräsentativen Charakter, wie es die frühen Brakteaten taten.

Bevor wir uns aber nun vollends den Göttinger Hohlpfennigen widmen können, muss erklärt werden, wie die Stadt überhaupt in den Besitz des Münzrechts gelangte. Denn eine Besonderheit des Mittelalters bestand darin, dass es keine zentrale Person oder Institution gab, welche das alleinige Münzrecht für das gesamte Gebiet des Heiligen Römischen Reiches besaß. Stattdessen wurden Münzen von einer Vielzahl von Territorialherren geprägt. Darunter befanden sich neben Königen und Herzögen auch (Erz-)Bischöfe, Äbte und auch Land- und Markgrafen (Suhle 1965, S. 44). Erst später folgten die Städte, die teilweise nur über Umwege das Münzrecht erlangten. Zu Beginn kamen die Städte oftmals nur in den temporären Besitz der Münze, da die Herzöge das Münzrecht lediglich zeitweise verpfändeten. Auch für die Stadt Göttingen war dies zunächst der Fall. Wichtig ist an dieser Stelle vor allem, dass die Herzöge und die Stadt Göttingen verschiedene Interessen verfolgten. Neben Göttingen waren auch andere Städte daran interessiert, „maßgebenden Einfluß auf das Münzwesen zu gewinnen“, um, so Jesse weiter, „in erster Linie die Sorge um ein geordnetes und dem städtischen Erwerbsleben angepaßtes Münzwesen“ (Jesse 1952, S. 35) mildern zu können. Das Ziel des Adels bestand hingegen meist darin, sich durch häufige Münzverrufungen zu bereichern (Meinhardt 1961, S.11).

Das Stadtrecht erhielt Göttingen zum Ende des 12. Jahrhunderts, vermutlich zwischen 1180 und 1200 durch Heinrich den Löwen. In verschiedenen Urkunden werden erstmals seit 1251 Münzmeister in Verbindung mit der Stadt Göttingen erwähnt. So ist 1251 die Rede von einem Godescalus monetarius, 1263 dann von Bartholdus monetarius und 1277 wird der Name Bernardus monetarius erwähnt, wobei sich bei letzterem auch der Hinweis findet, dass es sich um einen Bürger der Stadt Göttingen handelt (Meinhardt 1961, S. 21). Nicht klar ist allerdings, ob überhaupt einer dieser drei Münzmeister direkt in Göttingen tätig war. Sicher ist jedoch, dass keiner für die Stadt selbst, sondern alle im Auftrag des Herzogs arbeiteten. Eine erste schriftliche Erwähnung Göttinger Münzgeldes findet sich bereits 1259, allerdings handelte es sich da noch nicht um Hohlpfennige (Roth 2018, S. 35).

Bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts lag das Münzrecht also in den Händen der Herzöge. Allerdings lassen sich spätestens seit dem Jahr 1351 vermehrt Versuche der Stadt nachweisen, das Münz- und Wechselrecht in den eigenen Besitz zu bringen. Tatsächlich erlangte die Stadt erstmals am 30. April 1351 „für 200 Mark reines Silber Göttinger Gewicht und Reinheit Münze und Wechsel mit allen Rechten und Zubehör“ (Roth 2018, S. 38), nachdem Herzog Ernst von Braunschweig das Privileg wohl aufgrund finanzieller Schwierigkeiten verpfändete. Nach sechs Jahren hätte er es für 100 Mark zurückzukaufen können, was er aber nicht tat. Stattdessen verpfändete er es erneut, diesmal für sieben Jahre, wobei die Stadt 314 Mark zu zahlen hatte (Meinhardt 1961, S. 12).

Nach seinem Tod konnte auch sein Sohn das Recht nicht zurückkaufen und so erwarb die Stadt am 6. Juli 1368 erneut das Münz- und Wechselrecht, diesmal für 450 Mark. Am 13. Juli 1382 kam es zu einer Nachforderung von 200 Mark seitens des Herzogs. Die Stadt zahlte auch diese Summe. Allerdings nur gegen die schriftliche Versicherung, dass fortan nur die Stadt selbst Münzen prägen dürfe (Meinhardt 1961, S.12). Ob es sich bei der Transaktion vom 6. Juli 1368 tatsächlich um einen Verkauf oder wieder nur um eine Verpfändung handelte, ist nicht ganz klar. Denn 1383 kam es zu einem Streit zwischen der Stadt und dem Herzog Otto I. Dabei verbot der Herzog kurzerhand die Göttinger Münzen und unterstellte der Stadt für die Verschlechterung des Münzfußes und Fälschungen verantwortlich zu sein. In Folge des Streits wurden am 14. März 1383 mehrere Hundert Göttinger Bürger durch den Landvogt Hans von Gladbeck vor das Landgericht bestellt. Im Anschluss daran beschwerten sich der Göttinger Stadtrat und 278 weitere Personen beim Kaiser und Reich über dieses Vorgehen, allerdings wohl ohne Erfolg. Vier Jahre später, also im Jahr 1387, kam es zur Fehde zwischen der Stadt und dem Herzog, welche „mit der Niederlage des herzoglichen Heeres in der Fehdeschlacht von Rosdorf am 22. Juli 1387 endete“ (Roth 2018, S. 43). Obwohl das Münz- und Wechselrecht kein Gegenstand der nach der Niederlage von Otto ausgestellten Urkunde war, wird heute davon ausgegangen, dass er fortan zwar nicht de jure, zumindest aber de facto auf das Münz- und Wechselrecht verzichtete. Dennoch behielt sich der Herzog wohl ein Aufsichtsrecht, also das Recht über den Münzfuß zu bestimmen, vor (Roth 2018, S. 42–43).

Hohlpfennig der Stadt Göttingen

Stadt Göttingen. Einseitiger Pfennig, Hohlpfennig, ohne Jahr [15./16. Jahrhundert], Göttingen.
Das ungekrönte, gotische große G im hohen Wulstrand.
0,495 g.
Schrock Nr. 1.
Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, Münzkabinett Inv.-Nr. 05:044:005.

Vorder- und Rückseite eines Göttinger Hohlpfennigs. Mittig ist das ungekrönte, große gotische G überaus klar zu sehen. Oben rechts ein Punkt. Der Mittelstrich ist spiralförmig nach innen gerichtet. Rundherum der Wulstrand. Der Rand der Münze ist zur Vorderseite hin umgebogen. Am oberen Ende sind einige Stellen leicht ausgebrochen.

Für den Umstand, dass die Stadt zwar faktisch aber nie rechtlich das Münzrecht besaß, spricht auch, dass gut 100 Jahre nach der Fehde und nach dem Tod des Herzogs Otto II. im Jahr 1463 das Münz- und Wechselrecht anscheinend auf Herzog Wilhelm I. überging. Und tatsächlich lassen sich Belege finden, wonach die Herzöge Wilhelm und Friedrich im Jahr 1463 minderwertige Beischlagprägungen sächsischer Groschen vornahmen, obwohl der Stadt Göttingen zuvor in einem Vertrag zugesichert worden war, dass es im Fürstentum Göttingen keine andere Münzstätte geben sollte als die der Stadt selbst. Somit blieben Münz- und Wechselrecht weiterhin in der Hand des Adels. „Die Stadt Göttingen hatte nie das Eigentum an beiden Rechten, sondern betrieb sie immer nur aufgrund der Verpfändung. Formal benötigte die Stadt Göttingen immer die Zustimmung der Göttinger Herzöge, wenn sie den Münzfuß oder den Wert der eigenen Münzen ändern wollte“ (Roth 2018, S. 52).

Neben den oben erwähnten Münzmeistern finden sich noch weitere, von denen einer im Zusammenhang mit den Hohlpfennigen von besonderem Interesse ist. Im Jahr 1316 taucht der Name Tylo in den Urkunden auf. Dieser war allerdings nicht nur Münzmeister, sondern gleichzeitig auch Ratsherr. Die Person Tylo ist deshalb interessant, weil sie sehr gut die ständigen Auseinandersetzungen der Stadt Göttingen mit den Herzögen versinnbildlicht. Da die Stadt 1316 noch nicht eigenständig Münzen prägte, muss Tylo also im Dienst des Herzogs gestanden haben (Meinhardt 1961, S. 21). Durch seine Doppelfunktion als Münzmeister und Ratsmitglied war es ihm wohl möglich, durch Verschlechterung des Münzfußes und der temporären Verknappung beziehungsweise dem Ausbringen von zu vielen Münzen massiven Einfluss auf das in Göttingen umlaufende Geld zu nehmen und so den Herzog und sich selbst zu bereichern. Daher wurden seit 1342 durch die Stadt mehrere Statuten erlassen. Danach war es den Münzmeistern verboten, Mitglied des Rates zu sein und ferner durften sie sich auch nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Herzog befinden. Eben zu der Zeit Tylos scheinen aber auch das erste Mal Hohlpfennige in der Region um Göttingen oder in der Stadt selbst geprägt worden zu sein (Roth 2018, S. 36–38). Bei den neuen Pfennigen handelte es sich um „einseitig geprägte Hohlpfennige mit einem großen gotischen G und einem Durchmesser von 18-20 mm“ (Roth 2018, S. 37). Das Aussehen der Göttinger Hohlpfennige veränderte sich bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts fast gar nicht mehr.

Die Zeit der Göttinger Hohlpfennigprägungen lässt sich in sieben Prägeperioden unterteilen. Die erste stellt dabei die Zeit unter dem Münzmeister Tylo, also ab dem Jahr 1316 dar, in welcher die „schweren Pfennige“ gegen Hohlpfennige ausgetauscht wurden. In der Regel wurden in Göttingen nur während einer Prägeperiode, welche jeweils zwischen fünf und sieben Jahren dauerte, Münzen geprägt. Zwischen den Perioden lag dann jeweils ein Zeitraum von 20–25 Jahren (Roth 2018, S. 36–37). Sehr viel länger hätte der Zeitraum wohl auch nicht sein dürfen, da sich die fragilen Hohlpfennige sehr schnell abnutzten, was zu einem Wertverlust führte. Die Göttinger Münzen wurden in der Regel „al marco“ geprägt. „Es kam also nicht so sehr darauf an, dass alle Pfennige das gleiche Gewicht und den gleichen Feingehalt hatten, sondern nur, dass eine Mark Pfennige im Durchschnitt das vorgegebene Gewicht und den vorgegebenen Feingehalt erreichen musste“ (Roth 2018, S. 47).

Die zweite Prägeperiode begann wohl ab 1342. Dies passt auch mit dem oben erwähnten Erlass der Stadt zusammen. Der Start der dritten Periode wird auf 1366–1368 datiert, wobei dies die erste eigenständige Prägung der Stadt war, da sie ja seit 1351 das Münzrechts besaß (Roth 2018, S. 59). Über die ersten drei Perioden lassen sich leider kaum genauere Aussagen bezüglich der geprägten Menge an Münzen und des Münzfußes machen, da die Kämmereiregister in Göttingen erst zum Ende des 14. Jahrhunderts entstanden. Dennoch ist davon auszugehen, dass die Menge der geprägten Münzen in etwa gleich gewesen sein muss, während der Münzfuß zu Beginn wohl deutlich besser war als in den letzten Perioden (Meinhardt 1961, S. 21).

Hohlpfennig der Stadt Göttingen

Stadt Göttingen. Einseitiger Pfennig, Hohlpfennig, ohne Jahr [15./16. Jahrhundert], Göttingen.
Das ungekrönte, gotische große G im Wulstrand.
0,330 g.
Schrock Nr 2.
Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, Münzkabinett Inv.-Nr. 05:044:007.

Vorder- und Rückseite eines Göttinger Hohlpfennigs in gutem Zustand. Anders als bei Nr. 1 ist rechts am G kein Punkt, sondern ein nach unten gerichteter Strich. Am Mittelstrich befindet sich ein tropfenförmiger Punkt. An den Rändern leicht eingerissen.

Die vierte Periode fand mit Unterbrechungen von den Rechnungsjahren 1398/99–1406/07 statt. Der Gewinn des Rechnungsjahres 1398/99 belief sich dabei auf 500 Mark bei 837.860 geprägten Pfennigen, wohingegen die Gewinne der folgenden Jahre mit je rund 333 ½ Mark (1399/1400 und 1400/01) etwas abnahmen. Den geringsten Gewinn dieser Prägeperiode verzeichnete die Stadt im Rechnungsjahr 1404/05 mit lediglich 5 ½ Mark und 6 ½ Lot. Allerdings wurden in diesem Jahr auch nur circa 160.000 Pfennige geprägt, was zumindest teilweise den geringen Gewinn erklärt. Für das Jahr 1396 werden mit Hermann Lomershusen und Heinrich Eylenflegel gleich zwei Münzmeister genannt, wovon einer wohl der Meister und der andere sein Geselle war (Meinhardt 1961, S. 21–22, Schrock, S. 153). Roth spricht für das Jahr 1397 hingegen von einem anderen Münzmeister namens Johannes. Roth folgend prägte der von 1397–1402 tätige Münzmeister mehr als 1,7 Mio. Hohlpfennige. Da die Menge der geprägten Münzen allerdings nicht ausreichte, schloss die Stadt am 22. August 1402 einen neuen Vertrag, diesmal mit dem Münzmeister Hans von Gandersheim, welcher noch einmal in etwa die gleiche Menge prägte. Bis 1407 wurden so mehr als 3,5 Mio. Hohlpfennige in Göttingen geprägt (Roth 2018, S. 46). Der Münzfuß wurde dabei so gewählt, dass auf eine Mark mit einem Feingehalt von 703/1000 48 Schillinge, also 576 Pfennig geprägt werden sollten (Schrock 1987, S. 15).

Die fünfte Periode erstreckte sich über die Rechnungsjahre 1428/29–1437/38 und war erneut durch Unterbrechungen gekennzeichnet. Neben den Hohlpfennigen wurden in dieser Periode aber erstmals auch Sechslinge, vom Volk „Körtlinge“ genannt, geprägt. Die Unterbrechungen sind darauf zurückzuführen, dass der Münzfuß schlecht gewählt war und der Feingehalt der Sechslinge immer wieder reduziert werden musste, da sechs Hohlpfennige durch Abnutzung schnell weniger Wert waren als die „Körtlinge“, die im Übrigen auch doppelseitig geschlagen wurden und somit nicht zu den Hohlpfennigen zählen. Des Weiteren wurden seit dem Ende des 14. Jahrhunderts mehrere Statuen durch die Stadt erlassen, wodurch feste Wechselverhältnisse geschaffen werden sollten, da durch den verstärkten Handel auch immer mehr fremde Münzen nach Göttingen kamen. „Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, wurde am 22. Februar 1428 von Hans Raven eine öffentliche Probation durchgeführt, bei der die am häufigsten vorkommenden Silbermünzen jeweils mit einer aussagekräftigen Menge auf ihr Gewicht und ihren Silbergehalt untersucht wurden. […] So zeigte sich in vielen Fällen, dass größere Nominale vergleichsweise weniger Silber enthielten, als eine entsprechende Menge Pfennige“ (Roth 2018, S. 48). Dies ist darauf zurückzuführen, dass deutlich mehr Pfennige als Schillinge umliefen, die Pfennige somit einer stärkeren Abnutzung unterlagen und daher für Sechslinge oder andere größere Nominale nicht der gleiche Münzfuß wie für die Hohlpfennige verwendet werden konnte.

Hohlpfennig der Stadt Göttingen

Stadt Göttingen. Einseitiger Pfennig, Hohlpfennig, ohne Jahr [15./16. Jahrhundert], Göttingen.
Das ungekrönte, gotische große G im Wulstrand, aber rechts ein langer strich abwärts mit kräftigem Punkt.0,270 g.
Schrock Nr 3.
Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, Münzkabinett Inv.-Nr. 05:044:012.

Vorder- und Rückseite eines Göttinger Hohlpfennigs in sehr gutem Zustand. Die Form des Buchstabens ist hier anders als bei Nr. 1 und 2. Zum einen wirkt er dünner, zum anderen ist rechts ein langer abwärts gerichteter Strich mit kräftigem Punkt am Ende, beinahe in der Form einer Note. Der Mittelstrich ist spiralförmig, allerdings ebenfalls mit kräftigem Punkt am Ende. Am oberen und unteren Rand befinden sich nur leichte Beschädigungen.

Der Beginn der sechsten Prägeperiode liegt im Rechnungsjahr 1464/65 und ihr Ende wurde 1473/74 erreicht. Auch in dieser Periode musste die Prägung mehrfach ausgesetzt werden. Diesmal allerdings aufgrund der Beeinträchtigung der Währung durch die oben erwähnten schlechten Beischläge der Herzöge. So wurden unter anderem in Gandersheim, welches zuvor vom Fürstentum Göttingen abgetrennt wurde, Münzen mit einem äußerst schlechten Feingehalt von gerade einmal 156/1000 geprägt. Dies kam tatsächlich öfter vor, da es überaus rentabel war, das gute Göttinger Geld, welches in der Regel einen hohen Münzfuß hatte, aus Göttingen auszuführen, dann einzuschmelzen und daraus Münzen mit einem viel geringeren Feingehalt zu prägen. Der Gewinn verblieb dann beim Münzherrn, in diesem Fall also bei den Herzögen. Göttingen versuchte während dieser Periode Verbündete, hauptsächlich Kurfürsten und Herzöge aus Sachsen, im Kampf gegen die Beischlagprägungen zu finden. Während des Leipziger Probationstages vom 29. Januar 1470 stellte sich heraus, dass auch die Stadt Einbeck unter Beischlägen litt. Beide Städte forderten daraufhin Herzog Friedrich von Braunschweig-Wolfenbüttel dazu auf, die Beischlagprägungen zu unterlassen, was dieser jedoch ablehnte. Einzelne Münzer, die des Falschmünzens und der Beischlagprägung überführt werden konnten, wurden vermutlich hingerichtet. Der Münzmeister der Stadt Göttingen während dieser Periode war Hans Pust, allerdings ist nicht bekannt, wie viele Hohlpfennige und andere Münzen er in dieser Zeit herstellte. Der gesamte Gewinn der Stadt belief sich aber wohl auf rund 300 Mark (Roth 2018, S. 54–59, Schrock 1987, S. 153).

Hohlpfennig der Stadt Göttingen

Stadt Göttingen. Einseitiger Pfennig, Hohlpfennig, ohne Jahr [15./16. Jahrhundert], Göttingen.
Das ungekrönte, gotische große G im Wulstrand, Punkte rechts und mittig ausgefranst.
0,230 g.
Schrock Nr 2.
Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, Münzkabinett Inv.-Nr. 05:044:033.

Ein stark korrodierter Göttinger Hohlpfennig. Ähnlich Schrock Nr. 2, allerdings sind die Punkte rechts und mittig des Buchstaben stark ausgefranst, sodass sie einer Lilie ähneln. An der rechten Seite sowie oben und unten befinden sich leichte Beschädigungen.

Die siebte und letzte Periode der Göttinger Hohlpfennigprägung war abermals von Unterbrechungen gekennzeichnet und dauerte deutlich länger an als die vorherigen. Sie begann im Rechnungsjahr 1484/85 und endete erst 1513. Dennoch sollte diese Periode aufgrund der kontinuierlichen Verschlechterung des Münzfußes und der hohen Prägezahlen die lukrativste sein, die die Stadt je erlebt hat (Roth 2018, S. 59). Zu Beginn dieser Periode wurde noch ein Münzfuß verwendet, nach dem eine Mark einen Feingehalt von 375/1000 haben sollte und weiterhin 48 Schillinge oder 576 Pfennige daraus geprägt werden sollten. Seit dem 18. Mai 1490 galt allerdings ein neuer Münzfuß, wonach eine Mark nur noch einen Feingehalt von 359/1000 besitzen sollte und statt der üblichen 576 Pfennige nun 768 Pfennig aus der Mark geprägt werden mussten. Auch hier ist nicht bekannt, wie viele Münzen jeder Sorte geprägt wurden. Der Gewinn der Stadt betrug etwa 2.500 Mark, wobei das Jahr 1488/89 mit einem Gewinn von mehr als 677 ½ Mark das ertragreichste war (Roth 2018, S. 57). Während dieser Periode waren wohl gleich drei verschiedene Münzmeister an der Prägung beteiligt. Von 1480–1494 waren Hans Scheper, danach von 1494–1507 Tile Greve und zuletzt, von 1510–1514, Cord Pannesmed verantwortlich für die Prägung (Schrock 1987, S. 15, S. 153). Hohlpfennige wurden in Göttingen bis zum Beginn des 16. Jahrhunderts geprägt. Danach wurden sie unter anderem durch größere Nominale wie den Groschen abgelöst, welche in Niedersachsen bereits seit der Mitte des 15. Jahrhunderts ebenfalls gebräuchliche Zahlungsmittel waren (Jesse 1952, S. 42).

Bezüglich des Ortes, an dem sich die Münzstätte wohl befunden hat, lassen sich kaum belegbare Aussagen finden. Der Chronist Franz Lübeck berichtete 1390 allerdings, die Münzstätte habe sich in einem Gebäude gegenüber dem Gefängniszimmer des Rathauses befunden (Meinhardt 1961, S. 25). Da in Göttingen aber nur alle 20–25 Jahre Münzen geprägt wurden, liegt der Schluss nahe, dass die Münze immer nur zu den Prägeperioden temporär eingerichtet und danach wieder aufgelöst wurde. So finden sich zumindest für die Vorbereitungen der vierten Prägeperiode Aufzeichnungen aus dem Rechnungsjahr 1396/97, wonach die Stadt 9 ½ Mark, 1 Ferto und 9 Pfennige für die Ausstattung der Münzstätte bezahlte. Ebenso ist für das Jahr 1472/73 dokumentiert, dass die Münzstätte aufgrund des schlechten Zustands des Hauses, in welchem sie sich bis dahin befand, in den Weinkeller des Rathauses umziehen musste. Während der 1480er und 1490er-Jahre zog die Münzstätte aber wohl erneut um und die Stadt bezahlte eine Renovierung des Hauses, in dem sie sich seitdem befand. Weiterhin lassen sich Unterlagen aus dem Jahr 1500/01 finden, welche darauf hindeuten, dass die Münzstätte in dieser Zeit erneut verlagert wurde (Roth 2018, S. 61–62).

Seit 1428 finden sich in den Urkunden der Kämmereiregister verschiedene Berufsbezeichnungen in Verbindung mit der Münze. Zum Beispiel ist dort die Rede von einem Schmiedemeister, welcher für die Wartung der Arbeitsgeräte zuständig war. Auch wird ein Stempelschneider, welcher wohl lange Zeit der Münzmeister selber war, erwähnt. Des Weiteren waren Altgesellen und auch ein Silberschneider sowie Stallknechte für die Göttinger Münzstätte tätig. Dennoch war sie wohl immer recht spärlich ausgestattet, denn Werkzeug und Arbeitskleidung waren nur je zweimal vorhanden, also für einen Meister und einen Gesellen (Roth 2018, S. 60). „Die technische Einrichtung der Göttinger Münze ist stets primitiv gewesen. Niemals sind dort Maschinen benutzt worden. Solange die Stadt Münzen prägte, blieb man bei der alten Hammerprägung“ (Meinhardt 1961, S. 23).

Literaturverzeichnis

  • Berger 1993 = Berger, Frank. 1993. Die mittelalterlichen Brakteaten im Kestner-Museum Hannover. Hannover: Kestner-Museum (https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/berger1993) [Zugriff 04.12.2021].
  • Jesse 1952 =Jesse, Wilhelm 1952. Münz- und Geldgeschichte Niedersachsens. Braunschweig: Kommissionsverlag Wolfgang Brandes (https://publikationsserver.tu-braunschweig.de/servlets/MCRFileNodeServlet/dbbs_derivate_00044245/Ea-253-15.pdf) [Zugriff 04.12.2021].
  • Kaemling 1985 = Kaemling, Werner. 1985. Die Welfen und ihr Geld. Geschichte und Geschichten. Braunschweig: Holtzmeyer.
  • Meinhardt 1961 = Meinhardt, Günther. 1961. Münz- und Geldgeschichte der Stadt Göttingen von den Anfängen bis zur Gegenwart. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
  • Roth 2018 = Roth, Stefan. 2018. Geldgeschichte und Münzpolitik im Herzogtum Braunschweig-Lüneburg im Spätmittelalter. Teil 2: Geldgeschichte und Münzkatalog. Göttingen: Wallstein Verlag.
  • Schlüter 1967 = Schlüter, Margildis. 1967. Niedersächsische Brakteaten der Hohenstaufenzeit. Hannover: Kestner-Museum.
  • Schrock 1987 = Schrock, Ulrich E. G. 1987. Münzen der Stadt Göttingen. Bremen: Verlag Bieber.
  • Suhle 1965 = Suhle, Arthur. 1965. Mittelalterliche Brakteaten. Leipzig: Insel-Verlag.

(Manuel Comes)

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