Münzherstellung in Niedersachsen: Die Nachahmung eines Denars des Antoninus Pius und ein Schrötling aus Jeinsen

Bei der Neubearbeitung der Antiken Fundmünzen aus Niedersachsen durch Ulrich Werz und Anke Matthes konnten zwei Funde autopsiert werden, die von Harald Nagel bei einer Begehung in Jeinsen im Jahre 2009 entdeckt worden waren (Abb. 1 und 3).

Abb. 1: Imitation (Foto: U. Werz).
Abb. 2: Vorbild (Foto: U. Werz).

Bei dem ersten Fund handelt es sich um eine geprägte Silbermünze von 2,49 Gramm Gewicht, einer Dicke von 1,9 Millimetern und einem Durchmesser von 17,2-15,5 Millimetern. Auf der Vorderseite ist die Büste eines Mannes nach rechts zu sehen. Die Ausarbeitung ist grob; so sind die Locken nur als einzelne, voneinander abgesetzte Erhöhungen gearbeitet. Um das Bildnis herum sind Buchstaben angeordnet, welche wenig zueinander ausgerichtet und als Pseudolegende anzusehen sind, da sie keine Wörter bilden und somit keinen Sinn ergeben. Der verwendete Münzstempel war offenbar größer als der Schrötling, weswegen das Münzbild nicht vollständig eingeprägt werden konnte. Die Rückseite zeigt eine stehende, nach links gerichtete, geflügelte Gestalt mit ausgestrecktem Arm, die einen Palmzweig in der Linken trägt. Umgeben ist sie von einem groben Perlkreis und schlecht platzierten Buchstaben, welche, wie die Lettern der Vorderseite, ebenfalls als Pseudolegende einzuordnen sind. Das Münzbild ist leicht dezentriert eingeprägt und daher im oberen Bereich abgeschnitten. Die Münze ist als Nachahmung eines Denars aus der Zeit der Antonine (138-180) anzusprechen. Wahrscheinlich diente ein Denar des Antoninus Pius aus dem Jahr 143/144 als direkte Vorlage (Abb. 2). Freilich gibt das Vorbild nur einen terminus post quem und so besteht auch die Möglichkeit, dass diese Prägung erst im 3. Jahrhundert angefertigt wurde.

Abb. 3: Schrötling (Foto: U. Werz).

Der zweite Fund besteht aus einer an einer Stelle ausgebrochenen, silbernen Scheibe, von 2,24 Gramm mit einer Dicke von 2,1 Millimetern und einem Durchmesser von 16,6-15,1 Millimetern. Dieses Stück darf aufgrund seiner Form und des Gewichts als ein Schrötling zur Münzherstellung angesprochen werden. Inhaltlich hängen beide Funde zusammen, denn der Schrötling weist darauf hin, dass am Ort Silbermünzen hergestellt worden waren. Die dabei verwendeten Münzstempel wurden von Handwerkern geschnitten, welche die Vorlage so wiedergaben wie sie diese verstanden und umsetzen konnten.

Nachahmungen von Prägungen sind unter Funden innerhalb wie außerhalb des römischen Reiches nicht selten anzutreffen. Bei einer Untersuchung zu diesen Imitationen konnte Markus Peter (Bern, Institut für Archäologische Wissenschaften) feststellen: „Offenbar wurden Nachahmungen, die im Barbaricum gefunden werden, in den meisten Fällen auch außerhalb des Reiches hergestellt und umgekehrt.“ Mit Jeinsen wurde nun erstmals in Niedersachsen ein Platz nachgewiesen, an dem Münzen nach reichsrömischem Vorbild hergestellt wurden, die für eine Verwendung außerhalb der Grenzen des römischen Reiches bestimmt waren. (uw, Februar 2022)

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