Monika Lehmann, Andrea Tröller-Reimer

MICRO CT IM DIENSTE DER WISSENSCHAFT

Die virtuelle Freilegung der „Münzrolle“ aus Westerloh im Hümmling, Landkreis Emsland

Der vorliegende Beitrag wurde in den Berichten zur Denkmalpflege in Niedersachsen, 35. Jahrgang, 2015, Heft 2, S. 76-78 veröffentlicht. Monika Lehmann ist die Leiterin der Archäologischen Restaurierungswerkstatt im Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege Hannover. Andrea Tröller-Reimer ist dort Restauratorin und spezialisiert auf die Auswertung, Bearbeitung und Visualisierung von CT-Daten.

Abb. 1: “Münzrolle” aus Westerloh im Hümmling, Landkreis Emsland (Foto: R. Kopprasch).

Im Jahr 2013 entdeckten Mitglieder der Archäologischen Gruppe Lingen (AGL) im Rahmen einer Feldbegehung bei Westerloh im Hümmling (Ldkr. Emsland) eine „verbackene Münzrolle“ (Abb. 1). Im Hinblick auf eine fachgerechte Konservierung/Restaurierung wurde der Fund unter der Doku.-Nr. 09-2014 in die  archäologische Werkstatt des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege (NLD) eingeliefert. Eine erste Untersuchung der aus mehreren fest zusammenkorrodierten Münzen bestehenden „Münzrolle“ gibt Hinweise auf Brandspuren sowie organische Reste.

Insgesamt ist die „Münzrolle“ von einer in ihrer Stärke variierenden Korrosionsschicht umhüllt. Zum Teil haben sich in den Korrosionsschichten Abdrücke von organischem Material erhalten. Eine Datierung, sei es nur der beiden außen befindlichen Münzen, ist unter den gegebenen Umständen nicht möglich. Voraussetzung für die Lesbarkeit der Münzen  ist die Trennung der Stücke voneinander sowie deren Freilegung und Reinigung auf beiden Münzseiten.

Abb. 2. 3D-Anschicht rückseitiges Münzbild (Foto: A. Tröller-Reimer).

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine mechanische Trennung und Freilegung, die voraussichtlich mit einer nasschemischen Behandlung hätte kombiniert werden müssen, zu Substanzverlust führt, ist sehr groß. Um die Lesbarkeit der Prägebilder nicht zu beeinträchtigen und den Verlust von Originalfläche zu vermeiden, entschlossen wir uns für eine rein virtuelle Freilegung mittels Mikrocomputertomografie. Dafür wurde der Münzstapel mittels Micro CT gescannt. Unser Dank für die Unterstützung und gute Kooperation gilt S. Jänke, Application Engineer der Firma GE Sensing & Inspection Technologies GmbH, die die Mikro CT-Analyse durchgeführt hat. Schon bei der Durchführung der Scans war die Begeisterung groß, als bei der „Durchfahrt“ durch die Schichten die ersten Gesichter auf dem Bildschirm erschienen!

Die Auswertung der erzeugten Daten erfolgte abschließend in der archäologischen Restaurierungswerkstatt des NLD mit einem Programm der Firma Volume Graphics mit der Bezeichnung VG Studio Max. Die ersten virtuellen Freilegungsversuche erfolgten in der 3D-Ansicht. Durch Anschneiden der Rolle mithilfe verschiedener Clipping Tools gelang es, erste einzelne Prägebilder darzustellen (Abb. 2).
Ein Schnitt durch den Stapel zeigte, dass es sich um insgesamt neun Münzen handelte. Aufgrund einer Anhäufung  von sehr dichten Partikelteilchen in der Korrosionsschicht, die vermutlich Auswirkungen auf den Objektscann hatten, war die Darstellung des Innenbereichs der Münzrolle in der 3D-Ansicht sehr grobkörnig. Es gab nur sehr helle und sehr dunkle Grauwerte, aber kaum Werte im Zwischenbereich.

Abb. 3: Einfache Registrierung (Foto: A. Tröller-Reimer).

In den 2D-Schnittansichten waren die Münzen jedoch präziser dargestellt. Daher erfolgte die weitere Arbeit überwiegend in diesen Ansichten. Damit die Münzen systematisch virtuell freigelegt werden konnten und um die Prägebilder exakt jeder Münze zuordnen zu können, musste der Stapel zuallererst für die Festlegung der „1. Münze“ innerhalb einer dreidimensionalen Messbox ausgerichtet werden. Der festgelegte Nullpunkt markierte gleichzeitig die Unterseite dieser Münze. Zusätzlich mussten die einzelnen Münzen dann noch durch eine sogenannte einfache Registrierung immer wieder exakt waagerecht ausgerichtet werden, damit das Prägebild zur Gänze sichtbar gemacht werden konnte (Abb. 3).

Abb. 4: Vorderseite der zweiten Münze mit dem Bild von Kaiser Magnentius (Foto: A. Tröller-Reimer).

Eine zusätzliche Verfeinerung des Bildes mit dem Nebeneffekt von mehr Tiefenschärfe und Plastizität erreichte man durch den Einsatz des sogenannten Dickschichtenmodus. In dieser Einstellung werden mehrere Schichten überlagert dargestellt (Abb. 4). Dadurch erzielte man aber auch den Effekt, dass sich teilweise zwei Münzbilder überlagerten. Anhand dieser erzeugten CT-Bilder war es dem Numismatiker Herrn Dr. Bernd Hamborg möglich, eine Datierung vorzunehmen. Demnach lassen sich die Münzen in die späte römische Kaiserzeit einordnen. Die erzielten Ergebnisse, die Datierung der einzelnen Münzen und die Nutzung der erzeugten Bilder im musealen Kontext rechtfertigen den Entschluss, das „Münzröllchen“ im zusammenhängenden Befund zu belassen und so der Nachwelt zu erhalten. Zu sehen war das Ergebnis in Lingen in einer Sonderausstellung unter dem Titel „Römische Münzfunde im Emsland“ anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Archäologische Gruppe Lingen (AGL).

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