Simone Vogt
DIE STAUFER IN SÜDITALIEN
Zum Staunen geschaffen: Die Augustalen Friedrichs II.
(aus: Haymann, Florian/Kötz, Stefan/Müseler, Wilhelm (Hg.): Runde Geschichte : Europa in 99 Münz-Episoden, Oppenheim am Rhein 2020, S. 152-155 )
Stupor mundi, das „Staunen der Welt“ – so wurde der Staufer Friedrich II. schon zu Lebzeiten genannt. Geboren 1194, wurde Friedrich als Vierjähriger König von Sizilien, 1212 römisch-deutscher König und 1220 schließlich in Rom zum Kaiser gekrönt. Ihm gelang erneut, was schon sein Vater Heinrich VI. (1190/1091–1197) umgesetzt hatte, die unio regni ad imperium, die Vereinigung der Königreiche nördlich und südlich der Alpen innerhalb des von ihm regierten Kaiserreichs, des römisch-deutschen Reichs. Friedrich schuf so einen Machtraum quer durch Europa, von Sizilien bis zur Nord- und Ostsee, und legte damit den Grundstein zu seinem eigenen Ruhm. Auch die zur Zeit seiner Kaiserherrschaft geprägten Goldmünzen mit dem ehrenvollen Namen Augustales lassen aus vielen Gründen staunen, gerade wenn man sie mit anderen europäischen Münzen des Hochmittelalters vergleicht. Die Bezeichnung ist schon für die Zeit Friedrichs gesichert, denn 1231 sprach man von „nummi aurei, qui augustales vocantur“ („Goldmünzen, die Augustalen genannt werden“). Spätestens seit 1231 müssen diese Münzen also geprägt worden sein.
Bei dem vorliegenden Stück handelt es sich um einen Halb-Augustalis, also mit dem halben Gewicht (ca. 2,65 g) der vollen Stücke (ca. 5,3 g). In der Halbierung deutet sich bereits der praktische Zweck an: Keineswegs waren die Augustalen nur Festprägungen, die zu besonderen Anlässen entstanden und verteilt worden wären. Es waren Zahlungsmittel, die Handelszwecken dienten und so verschiedenen Gegenwerten entsprechen mussten. Die Vorder- und Rückseitenmotive sowie die Umschriften der Voll- und Halb-Augustalen stimmen jedoch überein.
Die Vorderseite zeigt das Brustbild des Kaisers im Profil nach rechts. Er ist bartlos und trägt kurzes Haar. Ein Lorbeerkranz mit Nackenbändern schmückt sein Haupt. Von der Kleidung ist ein mehrfach gefältelter Mantel erkennbar, der wie in der Antike mit einer Fibel auf der rechten Schulter zusammengehalten wird. Unter dem Mantel trägt er offenbar eine Tunika, wovon eine Bordüre am Oberarm sichtbar ist. Das Gesicht wirkt jugendlich und ebenmäßig, wegen der großen Augen und der hervortretenden Brauen aber auch energisch und entschlussfreudig. Die Umschrift nennt den Kaisertitel: „• CESAR AVG[ustus] – • IMP[erator] ROM[anorum] •“. Die Punkte zwischen den Wörtern sind als Beizeichen zu verstehen und kommen in verschiedener Anzahl und Verteilung vor. Hierdurch wurden vermutlich einzelne Emissionen gekennzeichnet.
Die Rückseite zeigt einen nach links stehenden Adler mit ausgebreiteten Flügeln und nach rechts gewandtem Kopf. Sein Federkleid ist kleinteilig und differenziert herausgearbeitet, Krallen und Schnabel sind besonders hervorgehoben. Die Umschrift nennt hier, beginnend mit einem Kreuz, den Namen des Kaisers: „FRIDE-RICVS“. Beizeichen sind auf der Rückseite nicht zu finden, was auf den Prägeort Messina schließen lässt. Die Augustalen und Halb-Augustalen wurden ausschließlich in Messina und Brindisi geprägt, wobei diejenigen aus Brindisi zwei Punkte über den Adlerflügeln aufweisen.
Vergleicht man dieses Münzbildnis Friedrichs mit dem des ersten römischen Kaisers Augustus (27 v. Chr. bis 14 n. Chr.), so liegen die Ähnlichkeiten auf der Hand: das kurze Haar mit den deutlich plastisch unterteilten Strähnen und die großen Augen in einem zeitlosen, würdigen Gesicht. Mit einem Lorbeerkranz, Zeichen des triumphierenden Siegers, wurde Augustus ebenfalls sehr häufig porträtiert. Allerdings fin det man ihn auf Münzen nicht mit einem Mantel, wie ihn Friedrich trägt. Doch auch dafür lassen sich leicht Vorbilder finden: Münzporträts der konstantinischen Kaiser zeigen häufig ein sehr ähnlich drapiertes und von einer Fibel zusammengehaltenes Pallium. Das Vorbild Konstantins des Großen (306–337) überrascht umso weniger, wenn man bedenkt, dass Friedrich zunächst auf den Namen Konstantin getauft worden war, bevor er den Namen Friedrich annahm. Schließlich sei noch auf die ikonografischen Parallelen zu den Porträtdenaren Karls I. des Großen (768/800–814) hingewiesen. Alle diese bildlichen Bezüge waren natürlich kein Zufall, denn die römisch-deutschen Kaiser knüpften immer wieder an das Römische Reich an und sahen sich als Nachfolger der römischen Imperatoren. Aus diesem Rückbezug auf die Antike ergibt sich zugleich, dass der Porträtwert des Münzbildes, also die Wiedergabe individueller Gesichtszüge Friedrichs, zweitrangig war. Zudem lässt sich ein möglicher Porträtcharakter kaum beurteilen, weil es kein gesichertes zeitgenössisches Bildnis Friedrichs gibt, das als Vergleich dienen könnte.
Als Herrschaftszeichen lässt sich der Adler von dem Adler des griechischen Göttervaters Zeus über den Legionsadler der römischen Soldaten und das Mittelalter bis zum preußischen Adler und dem Wappentier der Bundesrepublik Deutschland verfolgen. Trotzdem war die Wahl dieses majestätischen Tieres nicht beliebig: Die besondere Beziehung, die Friedrich zum Adler besaß, zeigt sich auch in dem von ihm selbst geschriebenen Buch über die Falknerei, in dem er den Adler besonders hervorhebt. Eine seiner italienischen Stadtgründungen, L’Aquila, heißt sogar nach ihm. Der Entwurf der Goldmünzen war somit von Gedanken der Repräsentation ebenso wie großen herrscherlichen Ambitionen durchdrungen.
Im Gefüge des Fernhandels im Mittelmeerraum des 12. und 13. Jh. lagen Süditalien und Sizilien an zentraler Stelle. Hier waren seit der Antike kontinuierlich Goldmünzen im Umlauf, wobei vor Einführung der Augustalen die Solidi bzw. Hyperpyra des Byzantinischen Reiches neben den Dinaren der islamischen Reiche als Leitwährung galten. Seit der normannischen Herrschaft auf Sizilien im 12. Jh. waren hier außerdem Tari im Wert eines Vierteldinars im Umlauf. Unter Friedrichs Regentschaft auf Sizilien wurden diese zunächst weitergeprägt. Allerdings schwankte ihr Gewicht sehr stark: Man musste sie bei Handelsgeschäften immer abwiegen und nach Bedarf zurechtstückeln; zudem waren sie unsorgfältig geprägt.
Solche Münzen konnten Friedrichs Ansprüchen natürlich nicht genügen. Mit der Ausweitung seiner Macht in Italien und Mitteleuropa wuchs zwangsläufig auch sein Selbstbewusstsein gegenüber dem Byzantinischen Reich und den islamischen Machthabern. Zudem wuchs die wirtschaftliche Rolle des Stauferreichs. Dies verlangte nach einem neuen, zweckmäßigen und zugleich repräsentativen Münztyp, der mit den Augustalen in gleichsam idealer Weise gefunden wurde. Der Feingehalt lag mit 855/1000 so hoch wie der Feingehalt der gleichzeitigen byzantinischen Goldmünzen. Das schuf Vertrauen und erleichterte natürlich den Handelsaustausch mit Byzanz. Es liegen auch Hinweise auf den Gegenwert der Augustalen vor, wobei 30 Tari 4 Augustalen entsprachen. Der Monatslohn etwa eines Salinenarbeiters betrug 10 Tari, eine salma (ca. 275 Liter) Getreide kostete 10 bis 12 Tari, und als Strafe für betrügerisches Handeln konnten bis zu 48 Augustalen bzw. 360 Tari verlangt werden.
Es sind heute noch über 400 Augustalen und Halb-Augustalen aus annähernd 200 verschiedenen Prägestempeln bekannt. Man kann die Anzahl der tatsächlich ausgemünzten Stücke nur schätzen, doch sollte man mit mehr als einer Million rechnen. Auch hieraus ergibt sich, dass diese Münzen nicht nur prachtvolle Repräsentationsprägungen, sondern Zahlungsmittel von hohem Wert waren. Staunen lassen sie uns deshalb auch heute noch.
Zum Weiterlesen
- H. Kowalski, „Die Augustalen Kaiser Friedrichs II.“, in: Schweizerische Numismatische Rundschau 55, 1976, 77–150.
- B. Kluge, „Die Monetarisierung Europas in staufischer Zeit“, in: Die Staufer und Italien, Bd. 1, Mannheim / Darmstadt 2010, 403–410.
- B. Kluge, „Die Augustalen Friedrichs II.“, in: ebd., Bd. 2, 56.
- K. Görich, Die Staufer. Herrscher und Reich, München 32011.
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