4. VON DER OBERHOHEIT DES NIEDERSÄCHSISCHEN KREISES BIS ZUR KIPPER- UND WIPPERZEIT (1570-1618)

Faktoren, die Einfluss auf die Münzgeschichte dieser Zeitspanne hatten, waren zum Teil die vorausgegangene Einteilung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation in zehn Landfriedenskreise durch die Reichsreform vom Kölner Reichstag 1512 (Schrock 1987, 30). In Folge dessen gehörte Göttingen zum Zehnten oder auch dem Niedersächsischen Kreis, der die welfischen Fürstentümer umfasste. Zudem wurden mehrere Reichsmünzordnungen erlassen, mit dem Ziel, die Geldwirtschaft auf Reichsebene zu ordnen, was jedoch nur wenig Erfolg hatte, auch weil nicht die Bedürfnisse aller Länder berücksichtigt wurden. So sollte zum Beispiel der in Norddeutschland und damit auch in Niedersachsen sehr weit verbreitete Taler verboten und durch den sogenannten Reichsguldiner ersetzt werden. Auf Grund von massivem Widerstand wurde er jedoch schon 1566 wieder eingeführt und auch als Reichsmünze anerkannt, daher wurde der Taler zu 24 Groschen nun auch als Reichstaler bezeichnet (Sprenger 2002, 103). Weiterhin wurde auf dem Lüneburger Kreistag von 1568 ein Beiabschied der Münzordnung verabschiedet, der den Niedersächsischen Kreis betraf und die einzelnen Münzstände in ihrer Freiheit beschränkte (Schrock 1987, 30). Denn sie hatten nun der Münzpolitik des Kreises zu folgen, bei dem jetzt die Verantwortung für die Prägung lag. Es wurde also für alle Münzstände in Niedersachsen festgelegt, dass so gemünzt werden soll, dass 9 Taler auf die feine Mark gehen, 224,85 Fürstengroschen und 935,4 Dreier auf die feine Mark, was einen höheren Münzfuß und damit auch weniger Gewinn für die Prägenden bedeutete (Schrock 1987, 31). Aus diesem Grund entschied sich die Stadt Göttingen erst einmal dafür, keine eigenen Münzen zu prägen.

Eine weitere Bedrohung für die Göttinger Münzprägung stellte der Entschluss vom Reichstag zu Speyer 1570 dar, dass jeder der zehn Kreise nur drei bis vier Kreismünzstätten haben sollte, was eine Schließung der Göttinger Münze bedeutet hätte, da Braunschweig, Bremen, Lübeck und Magdeburg dafür vorgesehen waren (Meinhardt 1961, 46). Zum Glück für die Göttinger Münzprägung wurde dieses Vorhaben jedoch nicht verwirklicht. Jedoch brachte der Lüneburger Kreisabschied von 1572 eine weitere Heraufsetzung des Münzfußes, was sich negativ auf die Münzprägung auswirkte (Schrock 1987, 31). Diese Änderung betraf vor allem das Kleingeld, denn es sollten nun 217 Reichsgroschen (die früheren Fürstengroschen) und 879,1 Dreier auf die feine Mark gehen (Schrock 1987,32). Dies bedeutete ein Verlust bei der Münzprägung für alle Münzstände, die keine eigene Silberförderung hatten und deshalb Silber ankaufen mussten, denn der Silberpreis zusammen mit den Kosten, die für das Prägen selbst aufkamen, lag bei 221 Groschen, was damit über den 217 Groschen liegt, die auf die feine Mark gehen. Dies war vor allem ein Problem, da die betroffenen kleinen Münzen auch von den kleinen Münzständen geprägt wurden, die kein eigenes Silber hatten und somit weit unter dem festgesetzten Münzfuß prägen mussten, wenn sie einen Gewinn erzielen wollten (Rittmann 1975, 217). Aus der Folgezeit sind daher nur Göttinger Münzen aus den Jahren 1573 und 1574 überliefert, die von dem Münzmeister Melchior Huxer geprägt wurden (Engelke 1921, 177).

1 Stadt Göttingen. 1/24 Taler, Groschen 1573, Göttingen
Vs.: MON . NOV . GOTT INGE. Gekrönter Buchstabe G auf einem Kreuz (teilt die Umschrift)
Rs.: MAXIMILIAN . ROMA . IMPE. Ein Reichsapfel mit Z4 darauf, 7 – 3.
1,94g.
Schrock Nr.86c.
Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, Münzkabinett Inv.-Nr. 05:046:043.

Dieser Reichsgroschen stammt aus dem Jahr 1573 und wurde unter dem Münzmeister Melchior Huxer geprägt. Er zeigt ein gekröntes G auf einem Kreuz und eine Umschrift auf dem Avers und den Reichsapfel mit der Aufschrift Z4 und der Jahreszahl und eine Umschrift auf dem Revers. Die Form ist nicht völlig kreisrund und Teile der Prägung sind nicht sehr gut zu erkennen. Im Kreisabschied von 1572 wurde für den Niedersächsischen Kreis für den Reichsgroschen ein Münzfuß von 217 Reichsgroschen auf die feine Mark festgelegt, was für die meisten Münzstände einen Verlust bei der Prägung bedeutete (Schrock 1987, 32, Nr.86c).

Mit dem Lüneburger Abschied gab es im Jahr 1572 eine weitere Veränderung für den Niedersächsischen Kreis, denn es wurde eine Probationsordnung beschlossen, die dazu diente, die Einhaltung des beschlossenen Münzfußes zu überprüfen (Schrock 1987, 32). Zu diesem Zweck wurden zwei Generalkreiswardeine bestimmt. Wardeine waren den Münzmeistern zur Seite gestellt und nahmen Proben von den geprägten Münzen, welche dann auf ihr Rauh- und Feingewicht überprüft und dann in einem verschlossenen Behältnis aufbewahrt wurden (Schrock 1987, 33). Diese Proben wurden auf den Probationstagen, die zweimal im Jahr stattfanden, von den Generalwardeinen in Anwesenheit der Münzmeister und Wardeine erneut geprüft und die Ergebnisse vorgestellt (Schrock 1987, 32–33).

Die Stadt Göttingen brachte in der Zeit bis 1600 keine Münzen aus, , um keinen Verlust bei der Prägung zu machen, da ihr, wie auch anderen Städten im welfischen Gebiet, der Münzfuß zu hoch war (Schrock 1587, 33). Dies blieb auch nach einer Herabsetzung des Münzfußes nach dem Braunschweiger Kreistag von 1591 so, bei dem statt den bisherigen 217 Reichsmark auf die feine Mark nun 224 zugelassen wurden. Dies bedeutete, dass das Feingewicht der Groschen von 1,078g auf 1,044g reduziert wurde. Notwendig wurde die Herabsetzung vor allem wegen eines Silbermangels in ganz Europa (Meinhardt 1961, 56), da das Silber für Geschäfte im Osten benötigt wurde (Klüßendorf 2015, 92). Die Verringerung sollte jedoch geheim gehalten werden, denn es war üblich geworden, gute Münzen wie Reichstaler außerhalb des Landes einzuschmelzen, um mit dem Material neuere Münzen mit weniger Wert zu prägen und wieder ins Land zu schaffen (Schrock 1987, 33). Der Mangel an Silber war Teil einer wirtschaftlichen Entwicklung im 16. Jahrhundert, die Preisrevolution genannt wird und zu der auch ein extremer Preisanstieg für Waren und eine Verschlechterung der Münzen gehörte (Klüßendorf 2015, 92). Diese Münzverschlechterung setzte sich fort, da ab dem Anfang des 17. Jahrhunderts immer mehr kleine Münzen auf den Taler gingen (Klüßendorf 2015, 93).

Im Jahr 1600 beschloss die Stadt Göttingen nach einer langen Pause wieder eigene Münzen zu prägen (Schrock 1987, 34). Erste Verhandlungen für einen neuen Münzmeister wurden mit Valentin Janus geführt, nachdem diese jedoch scheiterten, wurde erst im Jahr 1601 wieder von Hans Lachentries in Göttingen gemünzt. Dieser kam aus Hildesheim und wurde erst im Jahr 1602 auch vertraglich als Münzmeister angestellt (Meinhardt 1961, 63). Als Wardein wurde der Goldschmied und Göttinger Bürger Harden Hardegen gewählt und Lachentries wurde beauftragt drei Typen von Münzen zu prägen: den Reichsgroschen, Dreier und Pfennige (Engelke 1921, 178). Jährlich sollte er dabei 200 Taler an Schlagschatz erzielen (Meinhardt 1961,62). Lachentries münzte zunächst vom 6. Juni 1601 bis zum 10. August 1603, weshalb anzunehmen ist, dass es sich bei Göttinger Groschen und Pfennigen mit der Jahreszahl 1600 tatsächlich um Prägungen aus dem Jahr 1601 handelt, die jedoch mit einem Stempel für das Jahr 1600 angefertigt wurden – das Jahr, in dem Göttingen ursprünglich geplant hatte wieder zu prägen (Engelke 1921, 178–179). Nach dem Münzfuß, der 1591 festgelegt wurde, hätte der Reichsgroschen mit einem Feingehalt von 500/1000 Silber und einem Feingewicht von 1,04g und zu 224 Stück auf die feine Mark gemünzt werden müssen und der Dreier mit einem Feingehalt von 313/1000 Silber und 0,25g Feingewicht und 907 Stück auf die feine Mark (Schrock 1987, 34). Die tatsächlichen Silberanteile der Göttinger Münzen lagen aber unterhalb dieses Münzfußes und auf Probationstagen in den Jahren 1602 und 1603 wurden die minderwertigen Dreier der Stadt Göttingen von den Generalkreiswardeinen angesprochen (Meinhardt 1961, 57). Wohl auch aus diesem Grund wurde im Jahr 1603 in Göttingen beschlossen die Münzprägung zunächst zu pausieren.

2 Stadt Göttingen. 3 Pfennig, Dreier 1603, Göttingen
Vs.: G. Gekrönter Buchstabe G im Schild darüber das Münzmeisterzeichen.
Rs.: 16 – 03. Reichsapfel mit der Zahl 3 und Jahreszahl im Vierpass.
0,935g.
Schrock Nr. 99a.
Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, Münzkabinett Inv.-Nr. 05:046:066.

Dieser Göttinger Dreier wurde im Jahr 1603 vom Münzmeister Hans Lachentries gemünzt. Der Avers zeigt ein gekröntes G in einem Schild und darüber ein Münzmeisterzeichen und auf dem Revers einen Reichsapfel mit der Zahl 3 und der Jahreszahl in einem Vierpass. Die Form ist nicht ganz rund und die Prägung ist an manchen Stellen nur noch ungenau zu erkennen. Der Münzfuß wurde für den Dreier im Jahr 1591 für den Niedersächsischen Kreis auf 907 Dreier auf die feine Mark festgelegt. Die Göttinger Dreier des Jahres 1603 wurden auf dem Probationstag desselben Jahres als minderwertig bemängelt (Meinhardt 1961, 57; Schrock 1987, 34, Nr. 99a).

Ab dem 14. Februar 1605 wurde Lachentries abermals als Münzmeister angestellt und münzte diesmal bis zum 15. Januar 1607 (Engelke 1921, 179). Diesmal sollte er Reichsgroschen, Mariengroschen, Körtlinge und Dreier prägen. Aber auch in dieser Zeit waren die Göttinger Münzen von minderwertiger Qualität und auf dem Probationstag im Mai 1606 wurde spezifisch die zu hohe Stückelung der Göttinger Groschen bemängelt (Meinhardt 1961, 58). Jedoch wurde auch festgestellt, dass fast alle der Münzstände minderwertige Münzen herausgebracht hatten. Dies zeigte die allgemeine Geldverschlechterung der Zeit.

1609 wurde auf dem niedersächsischen Probationstag von Gardelege wieder das Vorhaben aufgegriffen, eine begrenzte Zahl an Münzstätten in den Kreisen einzurichten, wie bereits 1570 geplant wurde (Schrock 1987, 36). Es regte sich abermals Widerstand gegen dieses Unternehmen und auch Göttingen wollte die Abgabe ihres Münzrechts nicht akzeptieren, sodass der Versuch abermals scheiterte (Meinhardt 1961, 59). Zudem wurde auf diesem Probationstag der Reichstaler auf 28 Groschen festgesetzt, womit der Feingehalt jedoch zu hoch war, sodass die Münzstände seit 1612 dem Münzfuß des Obersächsischen Reichskreises folgten (Schrock 1987, 36). Dieser war im Jahr 1610 mit 266 Reichsgroschen auf die feine Mark mit einem Feingewicht von 0,88g festgelegt worden. Offiziell wurde dieser Münzfuß jedoch erst im Jahr 1615 für den Niedersächsischen Kreis anerkannt. Die Annahme eines niedrigeren Münzfußes war auch eine Antwort auf die vorhergegangene Ausfuhr von guten Groschen aus dem Land und das Einströmen minderwertiger kleinerer Münzen und bedeute in Folge eine Verschlechterung um fast ein Fünftel (Sprenger 2002, 105). Allgemein beschleunigte sich die Verschlechterung der kleineren Münzen in der Zeit zwischen 1610 und 1613 (Rittmann 1975, 219).

In Göttingen wurde die Münzprägung wieder aufgenommen, zunächst im Jahr 1613 unter Münzmeister Andreas Laffert (Meinhardt 1961, 63). Im Jahr 1614 übernahm dann Hans Schleswig das Münzmeisteramt (Schrock 1987, 36) bis in das Jahr 1617 (Engelke 1921, 197). In diesem Jahr wurde Schleswig auf dem Probationstag dazu verurteilt 40 Taler Strafe zu zahlen, da er zwei Groschen mehr aus der Mark geschlagen hatte, als es der Münzfuß vorgibt (Meinhardt 1961, 59).

3 Stadt Göttingen. 1/24 Taler, Groschen 1614, Göttingen.
Vs.: MO . NO . GOTTINGENSIS. Gekrönter Buchstabe G
Rs.: Umschrift MATTHIAS . ROM . IM . SE . A. Reichsapfel mit 24 darauf und Jahreszahl.
2,945g.
Schrock Nr. 112a.
Niedersächsisches Landesmuseum Hannover, Münzkabinett Inv.-Nr. 05:047:043.

Dieser Göttinger Reichsgroschen stammt aus dem Jahr 1614 und wurde unter dem Münzmeister Hans Schleswig gemünzt. Auf dem Avers zeigt er das gekrönte G, ein Münzmeisterzeichen und eine Umschrift. Auf dem Revers den Reichsapfel mit der Zahl 24, die Jahreszahl und einer Umschrift. Die Münze hat eine Klippenform und zeigt an einer Seite eine Einkerbung. Zu dieser Zeit wurde nach dem Obersächsischen Münzfuß von 266 Reichsgroschen auf die feine Mark gemünzt, was jedoch erst im Jahr 1615 auch für den Niedersächsischen Kreis zugelassen wurde (Schrock 1987, 36, Nr. 112a).

Die Verschlechterung der Kleinmünzen war nicht mehr aufzuhalten und die im Jahr 1615 festgesetzten 133 Groschen auf die feine Mark, waren für die Münzstände einfach nicht mehr möglich, sodass bei dem Probationstag 1616 mehrere Münzstände mit einem niedrigen Münzfuß geprägt hatten (Meinhardt 1961, 59). Im Kreisabschied von 1617 wurde der Münzfuß abermals heruntergesetzt, sodass 288 Reichsgroschen mit einem Feingewicht von 0,81g auf die feine Mark gehen sollten, jedoch lag die Probe der Göttinger Münzen in diesem Jahr immer noch unter dem Münzfuß (Schrock 1987, 37). Die immer schneller voranschreitende Geldverschlechterung kann auch an den Mariengroschen gesehen werden, von denen im Jahr 1600 36 auf einen Taler gingen, im Jahr 1608 waren es 40 und 1615 war der Taler 45 Mariengroschen wert (Fahlbusch 1959, 99). Es war damit also ein Inflationsprozess im Gange, der sich nicht mehr aufhalten ließ.

Literatur

  • Engelke 1921 = Engelke, Bernhard. 1921. Zur Münzgeschichte der Stadt Göttingen im Anfang des 17. Jahrhunderts. In Berliner Münzblätter 7 (42), Hrsg. Emil Bahrfeldt.S.177–180, 196–201, Berlin: Verlag Emil Bahrfeld.
  • Fahlbusch 1959 = Fahlbusch, Otto. 1959. Die Münzprägung der Stadt Göttingen. In Wissenschaftliche Abhandlungen des deutschen Numismatikertages in Göttingen 1951, Hrsg. Eric Boehringer, S.93–100, Göttingen: Musterschmidt.
  • Klüßendorf 2015 = Klüßendorf, Niklot. 2015. Numismatik und Geldgeschichte. Basiswissen für Mittelalter und Neuzeit. Peine: Hahn.
  • Meinhardt 1961 = Meinhardt, Günther. 1961. Münz- und Geldgeschichte der Stadt Göttingen von den Anfängen bis zur Gegenwart. Studien zur Geschichte der Stadt Göttingen Band 2. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
  • Rittmann 1975 = Rittmann, Herbert. 1975. Deutsche Geldgeschichte 1484-1914. München: Battenberg.
  • Schrock 1987 = Schrock, Ulrich. 1987. Münzen der Stadt Göttingen. Bremen: Verlag Bieber/Luck-Lehne -baldrian-.
  • Sprenger 2002 = Sprenger, Bernd. 2002. Das Geld der Deutschen. Geldgeschichte Deutschlands von den Anfängen bis zur Gegenwart. 3. Auflage. Paderborn: Schöningh.

(Carolin Pilz)

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